Kein Muttertag

(Wer kein Blut sehen kann sollte den ersten Absatz überspringen.)

Eigentlich wäre der Wecker heute früh gar nicht nötig gewesen – es war so warm in den Zimmern dass die meisten ohnehin nur phasenweise geschlafen haben. Um 6.15 Uhr sollen die Koffer am Bus sein, damit Marc in Ruhe einladen kann. Da das Hotel keinen Lift hat müssen die schweren Koffer die diversen verwinkelten Treppen hinauf- und heruntergewuchtet werden. Mutter übersieht eine Stufe und fällt mit Koffer ein paar Stufen runter. Das Ergebnis ist eine sehr heftig blutende Platzwunde, die eine Blutspur hinterlässt die jedem Splatterfilm zur Ehre gereichen würde. Zum Glück ist einer aus der Gruppe Arzt und versorgt sie sofort, Claudia versucht einen Notarztwagen zu organisieren, scheitert aber am englischen Gesundheitssystem (Frage am Telefon: „Ist die Menge Blut, die sie verloren hat, so viel dass es in eine Teetasse passt? Wenn nicht kommen wir nicht.“). Unser Arzt legt einen Druckverband an, und Mutter kann nach einiger Säuberung zum Frühstück gehen. Allerdings hat die Sache reichlich über alle Kleidungsstücke gespritzt, die nur notdürftig gesäubert werden können, und mit den Blutflecken und dem Druckverband am Kopf sieht sie schon durchaus spektakulär aus.

Der Bus rollt wie vorgesehen kurz nach 7 Uhr vom Parkplatz, als Claudia fragt: „Hat auch jeder seinen Zimmerschlüssel abgegeben?“ Oha! Einige haben in der Hektik von heute früh den Schlüssel vergessen, Mutter und ich zum Beispiel. Also stopp, Claudia spurtet zurück zur Rezeption und bringt die Schlüssel zurück, und nun geht es wirklich los – direkt in den ersten Stau des Tages, denn wir landen natürlich mitten im Berufsverkehr.

Wir schaffen trotz allem eine gute Zeit und sind gegen halb 11 in Heathrow. Eigentlich hatte Claudia uns gestern abend online eingecheckt, aber das Hotel hat es nicht geschafft meinen Boarding Pass auszudrucken, und Mutter muss ohnehin an den Schalter, weil Passagiere, die mit nicht elektronisch lesbaren Dokumenten sondern z.B. mit älteren Personalausweisen einchecken, nicht online abgefertig werden können. Wir rollen unsere Koffer also zum British-Airways-Schalter, wo sich bereits eine lange Schlange gebildet hat. Und jetzt macht sich Mutters mitleiderregendes Aussehen bezahlt, denn sofort kommt uns eine besorgt dreinschauende BA-Mitarbeiterin entgegen und fragt ob wir vielleicht Hilfe brauchen? Ach so, wir wollen am Schalter einchecken? „This way, Madam“ heißt es, und wir werden an der Schlange vorbei zu einem Serviceschalter geleitet und sofort abgefertigt.

Soweit, so gut. Als nächstes geht es zur Security. Wir legen brav alles aufs Band, die Rucksäcke werden durchleuchtet und wir werden durchgewinkt. Mutters Rucksack jedoch taucht auf einem Nebengleis wieder auf. Hello, could we have the backpack please? Ein ernster Mitarbeiter winkt Mutter zur Seite und teilt lakonisch mit, er müsse ihren Rucksack durchsuchen. „Please open it for me, Ma’am.“ Und nun kommen einige illegale Sachen zutage: Ein Fläschchen Mückenmittel, eine Tube Sonnencreme, eine Tube Salbe, ein paar Kosmetikfläschchen … Oh. Hm. Haben wir glatt vergessen, ist ja verboten. Der Flughafen spendiert die vorgeschriebene wiederverschließbare durchsichtige Plastiktüte, findet noch ein paar illegale Augentropfen, durchsucht den Rucksack mit einer Art Metallsuchgerät, und dann darf Mutter den komplett ausgeräumten Rucksack vor Ort neu packen.

Wir essen eine Kleinigkeit, finden unser Gate und dürfen auch irgendwann rein ins Flugzeug. Wie üblich stehen freundliche Stewardessen dort und begrüßen die Passagiere. Mutter geht an ihnen vorbei, und als die Stewardess Mutter von hinten sieht erschrickt sie nun doch: „Excuse me? Madam? Madam?!?“ Mutters Hörgerät ist bei dem Sturz leider kaputt gegangen, sie hört also nicht wirklich gut. Besorgt wendet sich die Stewardess an mich: „Has she had an accident? Has she been to a doctor?“ Völlig berechtigte Reaktion bei blutigem Verband und blutbefleckter Kleidung, aber ich kann ihr glaubhaft versichern dass Mutter zwar wirklich einen accident hatte, dass aber ein Arzt das gesehen und behandelt hat, und gesagt hat dass sie den Flug machen kann.

Nachdem das geklärt ist kommt als nächstes die Durchsage, dass in Heathrow zur Zeit so viel los ist dass wir erstmal andere Flieger durchlassen müssen. Der Kapitän sagt etwas von „circa 20 Minuten später“. Mutters opitmale Bahnverbindung nach Hause ist ohnehin schon auf Kante genäht, das könnte jetzt also knapp werden. Es wäre kein Drama, denn die Fahrkarte ist nicht zuggebunden, aber schade wärs doch. Außerdem kann sie nicht wie geplant in Deutz umsteigen, weil es dort keine Rolltreppen gibt, was mit dem schweren Koffer einfach nicht zu machen ist, also muss sie im Hauptbahnhof umsteigen, was wieder mehr Zeit kostet.

Flight Control hat ein Einsehen und lässt uns früher starten als erwartet, und dank Rückenwind und ein bisschen mehr Speed kommen wir wahrhaftig fast pünktlich an. Das Gepäck ist sofort da, dafür hängen wir wieder lange bei der Passkontrolle fest. Die Zeit reicht noch um den ersten angepeilten Zug zu bekommen, nicht zuletzt deswegen weil dieser mal wieder Verspätung hat.

Im Kölner Hauptbahnhof verlässt uns das Glück dann aber. Wir haben noch etwas mehr Verspätung eingefahren, was ein rechtzeitiges Umsteigen nahezu unmöglich macht, und als wir in Köln aussteigen herrscht auf dem Bahnsteig ein solches Gedränge dass wir mehrere Minuten brauchen, mittels Rolltreppe (vor dem Aufzug stehen schon 6 Leute mit riesigen Gepäckstücken) vom Gleis in die Bahnhofshalle zu kommen. Mutter muss eine Stunde auf den richtigen Anschluss warten. Ich versuche ihren Bruder telefonisch zu erreichen damit er sie von der Haltestelle abholt, aber er ist offenbar nicht da. Mutter wird nun eine knappe Stunde im Hauptbahnhof warten, zum Glück ist das Wetter ja schön und sie wird sich nach Möglichkeit draußen ins Café setzen. Ich renne zu meinem nächsten Zug und sehe grade noch seine Rücklichter. Erfreulicherweise kommt der nächste schon eine Viertelstunde später, und ich nutze die Zeit um mir eine Flasche Wasser zu besorgen.

Und das war’s dann auch schon. Wir haben 10 wunderbar sonnige Tage in englischen Gärten, englischer Natur und englischen Hotels verbracht, viele schöne Fotos gemacht und viele schöne Erinnerungen gebunkert. Alles in allem war das eine richtig schöne Reise, die wenn auch nicht perfekt, aber doch gut organisiert war und sich gelohnt hat. Englische Gärten sind auf jeden Fall eine Reise wert!

Hitze in Hestercombe

Schon morgens ist es so warm dass selbst bei weit geöffnetem Fenster kaum Frischluft ins Zimmer kommt. Wer hätte gedacht, dass wir in England 10 Tage Sonne und Hitze haben würden?
Wir lassen das Pentire Hotel hinter uns und müssen uns nun doch langsam wieder Richtung London bewegen, allerdings legen wir den Weg in Etappen zurück. Nach 3 Stunden Fahrt erreichen wir pünktlich mittags um 12 Uhr die Hestercombe Gardens in der Grafschaft Somerset. Wir steigen aus dem klimatisierten Bus und schnappen erstmal nach Luft: Es sind über 30 Grad draußen.

Der erste Weg führt uns zu den formal gardens, wunderschön angelegt, wenn auch einiges bereits verblüht ist.

Von dort führen Kieswege leicht ansteigend zum englischen Landschaftsgarten. Mutter hat mit der Erkältung und der Hitze zu kämpfen und geht bald wieder zurück, während ich eine kleine Runde durch den Park mache. Weiter oben ist es immerhin schattig. Der Park ist ganz nett, für mich aber zum Beispiel nicht mit Wakehurst vergleichbar.

Irgendwann muss jeder der Hitze Tribut zollen. Einige liegen erschöpft unter Bäumen im Schatten, andere verinnerlichen im Café ein großes Eis oder kühlen sich im Shop ab. Ich mache noch eine ausgiebige Fotosession in den formal gardens, und um halb vier geht die Fahrt weiter in den klitzekleinen Ort Loxton in der Nähe von Bristol, wo wir in einem beinahe idyllisch abgelegenen Landhotel untergebracht sind.

Das Webbington Hotel ist zum Glück mal wieder ein richtiges, ordentliches, schönes Hotel, das in der Mitte von nirgendwo liegt. Ein schönes, richtig geschmackvoll eingerichtetes altes Haus mit netten Servicekräften und gutem Essen. Nach dem Essen klären wir noch die letzten Details – morgen heißt es unchristlichlich früh aufstehen, der Bus fährt um 7 Uhr los. Claudia checkt uns online schonmal ein, es gibt noch eine kurze Schlußbesprechung, und nun ist es definitiv Zeit ins Bett zu gehen.

Trebah

Wir haben heute ziemlich viel vor und fahren deshalb schon um halb neun los. Leider weigert sich das Hotel kategorisch, den Frühstücksraum vor 7.45 Uhr zu öffnen, weshalb das Frühstück etwas hastig abläuft. Es zeigt sich, dass das Hotel wirklich sehr sparsam wirtschaftet. Jeder Gast bekommt zu Beginn seines Aufenthaltes jeweils ein klitzekleines Düppchen Shampoo und Duschgel, und das sollte dann bitte für den ganzen Aufenthalt reichen. Es reicht nicht? Sie können gerne an der Rezeption nachkaufen. Teelöffel? Nun ja, wenn sie so etwas wirklich brauchen, dann fragen Sie doch die zuständige desinteressierte Servicekraft, die wird Ihnen dann schon noch kurz vor Abfahrt des Busses einen bringen. Salz zum Ei? Ist das nötig? Aber bitte, wir wollen nicht so sein, wir bringen Ihnen das Salz vom Nachbartisch – hätten Sie sich ja eigentlich auch selbst holen können, oder?

Mutters Erkältung nistet sich ein, weshalb wir uns gegen die Küstenwanderung entscheiden. Wir werden von Marc mit einer weiteren Wanderschwester schon zum Trebah Garden gefahren und haben dort richtig viel Zeit.

Das Gelände von Trebah ist gar nicht mal so groß, trotzdem kann man dort durchaus ein paar Stunden verbringen. Der Garten liegt in einer Schlucht mit teils steil abfallenden Hängen, in der Mitte fließt ein kleines Rinnsaal, das weiter unten ein paar Teiche speist, und ganz unten hat Trebah sogar seinen eigenen kleinen Kiesstrand, wo man an Tagen wie heute schön die Füße ins Meer stellen kann.

Oben im Garten ist die Bepflanzung noch höflich-zivilisiert.

Es gibt ganze Wege, die von Kamelien oder Rhododendren gesäumt sind, leider ist deren Blüte ja schon vorbei, und die Taglilien sind in Trebah noch nicht ganz soweit.

Je weiter man Richtung Schlucht geht desto mehr wuchert es, fast ein bisschen dschungelartig aber nicht so wild wie in Heligan.

Die Senke ist der Hit. Rings um das Rinnsal wurde zum Beispiel „Bamboozle“ angelegt, ein Rundgang durch die unterschiedlichsten Bambusarten, oder die Gunnera Plantation, wo man unter riesigen Gunnera-Blättern herumspazieren kann.

Noch weiter unten gibt es einen Teich mit passendem Teichmonster,

darunter liegt ein von Hortensien umringter Teich, über den eine von Monet inspirierte Brücke gebaut wurde.

Ganz unten ist noch ein Teich mit einem großen Klops Gunnera drin,

und dann ist man auch schon am Strand.

Und dann muss man den ganzen Weg eben auch wieder hochstiefeln.

Die Senke ist so geschützt dass kaum Wind durchdringt, und die Luft wird schnell stickig. Wir drehen eine komplette Runde durch den Garten und müssen danach erstmal eine Pause im Café einlegen. Mutter, durch die Erkältung gehandicapt, macht ein längeres Päuschen, und ich drehe mit der zweiten Aussteigerin eine weitere Runde durch den Garten. Auf dem Rückweg treffen wir auf die ersten Wanderer, die inzwischen eingelaufen sind und uns berichten, dass es auf dem Küstenwanderweg nicht nur sehr heiß war, sondern dass der Weg offenbar ausschließlich aus Höhen und Tiefen bestand und kaum grade Strecken hatte. Wir Aussteiger klopfen uns gegenseitig auf die Schulter und finden, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben.

Am Nachmittag geht es weiter ins Küstenstädtchen St Ives, das als Künstlerkolonie Cornwalls gilt. Wir haben die üblichen zwei Stunden Zeit, aber das ist meiner Meinung nach zuwenig um aus dem Ort was zu machen. Die Tourbusse dürfen nur oberhalb der Stadt parken, und man geht entweder die steilen engen Sträßchen hinab oder fährt mit dem örtlichen Bus, und mit der verbleibenden Zeit kann man nur begrenzt was anfangen weil man den Berg ja wieder hoch gehen oder auf den Bus warten muss. Mutter und ich gehen ins Barbara Hepworth Museum, wo viele Skulpturen des Bildhauerin, die lange in St. Ives gelebt hat, im Haus und vor allem im Garten ausgestellt sind.

Danach ist eigentlich Zeit für nichts mehr weil die Busse nur in 20-Minuten-Abständen fahren und Fahrpläne auch eher leger interpretiert werden. Wir teilen uns eine Portion Chips auf der Bank an der Haltestelle in sengender Sonne und sind ganz dankbar, als endlich der richtige Bus kommt der uns zurück zum Parkplatz fährt.

Beim Abendessen im Hotel wiederholt sich das Szenario von heute früh. Mutter hat kein einziges Messer. Es gibt keine Messer mehr. (Sie bekommt mein Vorspeisenmesser.) Die Servicekräfte räumen die Teller in der Regel kommentarlos ab, höchstens begleitet von der Frage „Finished?“ oder, wenn sie mal ganz redselig sind, „You finished?“ Auffallend ist, dass noch nie jemand gefragt hat ob es einem denn geschmeckt hat. Weil wir heute erst nach 19 Uhr wieder zurück waren hat Claudia beim Hotel durchgesetzt, dass wir um 19.45 Uhr zu Abend essen dürfen, was dem Hotel eigentlich schon zu spät ist. Zur Strafe bekommen wir weder Tee noch Kaffee hinterher, was eigentlich im Menü inbegriffen ist. Wer das noch möchte, kann es sich ja an der Bar holen – gegen Bezahlung, natürlich.

So langsam kriegen wir Heimweh.

 

 

Schlendrian

Der Tag fängt früh an. Um kurz vor 1 Uhr in der Nacht heult der Feueralarm los, irgendein Rauchmelder muss ausgelöst haben. Das ganze Hotel sitzt senkrecht im Bett, Menschen in Pyjamas stehen auf Fluren und schauen ängstlich (vor wenigen Tagen erst ist in London ein Hochhaus spektakulär ausgebrannt) nach Feuer oder Qualm. Davon ist jedoch nichts zu sehen, nach und nach kehren die Gäste in ihre Zimmer zurück, und während sich die Männer offenbar einfach aufs andere Ohr legen und weiterschlafen, ergibt eine nicht repräsentative Frühstücksumfrage, dass die meisten Frauen noch ziemlich lange wach gelegen haben. Über Porridge, Toast und und Ei werden evolutionstheoretische Gründe hierfür diskutiert, und um 10 Uhr  sammeln sich fast alle vor dem Hotel, um mit Claudia eine kleine Wanderung in der näheren Umgebung zu machen.

Nachdem es früh morgens noch dunstig war,

scheint nun wieder die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Da heute von Wikinger Reisen offiziell eigentlich ein freier Tag vorgesehen ist, nehmen wir an dieser Wanderung sozusagen privat teil, und Claudia verlässt sich bei der Planung auf die Wegbeschreibung des National Trust weil sie den Weg nicht vorher erkundet hat. Wir spazieren ein bisschen am Pentire Headland entlang, an der Küste zurück und dann den Hügel hinunter bis zum Flüsschen Gannel, wo wir mit der Fähre (1 Fährmann, 8 Passagiere, 4 Rettungsringe und 1 Hund) auf die andere Seite nach Crantock übersetzen.

Der Plan des National Trust sieht nun vor, dass man entlang der Straße geht, aber der Fährmann rät dringend davon ab weil die Straße mit 60 mph befahren werden kann und wohl auch relativ stark befahren wird. Mutter und ich beschließen ohnehin, dass es uns inzwischen zu heiß geworden ist um weiter durch den Sand zu stapfen, wir nehmen die Fähre wieder zurück, steigen langsam den Berg hinauf und nehmen etwas später den Bus nach Newquay.

Hier essen wir zu Mittag (mein Essen ist sogar ziemlich gut), schlendern ein bisschen durch die Innenstadt und fahren nach zwei Stunden wieder zurück ins Hotel, wo wir uns mit einem Buch faul auf die Terrasse setzen. Mir fallen irgendwann die Augen zu, und um wieder etwas wacher zu werden spazieren Mutter und ich noch ein Stündchen auf dem Pentire Headland herum.

Möglicherweise brütet Mutter eine Erkältung aus, die Stimme schwindet sozusagen zuhörends. Ein paar aus der Gruppe werden heute Abend einen Pub in Newquay aufsuchen, aber wir zwei werden heute einfach mal wieder früh ins Bett gehen und morgen dann mal schauen, ob wir am angeblich heißesten Tag des Jahres die Küstenwegwanderung mitmachen werden.

In the Jungle

Zum Frühstück gibt es geschmacksneutralen Tee und genau eine Sorte Jam, und die gibt es nur im Plastiktöpfchen. Der Abschied vom Golfhotel Elfordleigh schmerzt nicht wirklich.

Die Wandergruppe verlässt am Küstenwanderweg den Bus, und wir vier Aussteiger werden von Marc in die kleine Küstenstadt Fowey gefahren. Das Wetter ist super, Sonnencreme ist heute wieder Pflicht. Wir gehen vorsichtig die steilen Wege vom Parkplatz runter ins Zentrum und versuchen, auf eigene Faust das Ende des Küstenwanderweges zu finden um vielleicht doch ein kurzes Stück des Weges gehen zu können, aber es gibt nirgends Hinweisschilder. Wir laufen ein bisschen durch die engen, verwinkelten Gässchen mit vielen niedlichen kleinen Läden in den „quaint“ Häuschen. Schließlich landen wir in einem kleinen Café in einem schattigen Innenhof und trinken erstmal einen richtigen Tee.

Am Hafen entscheiden wir uns spontan für eine Bootsrundfahrt durch Hafen und Flußmündung, weil man vom Wasser einen noch schönerern Blick auf Fowey hat,

und auf einer kleinen Barkasse werden wir auf dem Weg zum Bootshafen an Daphne DuMauriers Ferienhaus „Ferryside“ vorbeigeschaukelt, wo heute ihr Sohn wohnt.

Hinterher gibt’s ein leckeres Eis, und dann steigen wir gaaanz laaangsam die steilen Sträßchen wieder hoch, um die später erschöpft heranstapfende Wandergruppe am Bus zu treffen.

Von hier aus ist es nicht mehr weit zu den Lost Gardens of Heligan. Heligan gibt es schon ein paar hundert Jahre, aber Anfang des 20. Jahrhunderts konnte die Familie den Unterhalt nicht mehr zahlen, und Haus und Gelände verfielen. Erst Anfang der 90er Jahre begann man, das völlig zugewucherte Gelände frei zu schneiden und den Park wieder herzurichten. Es gibt – wie sich das gehört – einen Ziergarten und einen Nutzpflanzengarten, und ziemlich viel Landschaft drumrum,

aber das alles wäre nicht wirklich der Rede wert wenn es nicht noch „The Jungle“ gäbe. In einer großen Senke, umgeben von riesigen Baumveteranen, ist ein wirklicher Dschungel entstanden. Wahre Rhododendronungetüme, riesige Farnwedel, alle möglichen exotischen Bäume, Baumfarne, Cabbage Trees … man läuft sozusagen mit heruntergeklapptem Unterkiefer hindurch.

Man wird auf Plankenwegen geführt, und mittendrin gibt es eine Burmese Rope Bridge. Wer sich traut, kann auf zwar gut gesicherten aber doch sehr schwankenden Seilen über die Senke auf die gegenüberliegende Seite wackeln.

Wir haben den Dschungel gleich zu Beginn angesteuert, was sich als gute Idee erweist. Man bekommt zwar beim Eintritt einen Geländeplan, auf dem brav steht wie die Gartenteile heißen, aber das alles nützt leider gar nichts wenn auf den verschlungenen, überwucherten und unübersichtlichen Wegen (die ja den Charme von Heligan mit ausmachen) nur hin und wieder mal Schilder stehen. Alle naslang steht man vor einer Weggabelung und weiß nicht, welcher Weg wohin führt, und man kann sich eben nicht auf Sicht orientieren. Das führt zwar zu mehr Kontakt („Excuse me, do you happen to know where exactly we are?“), aber auch zu hilflos umherirrenden Menschen, und wenn diese Menschen um 17 Uhr am Bus sein müssen ist das einem entspannten Umherflanieren nicht zuträglich.

Nachdem wir aus dem Dschungel herausgefunden haben machen wir uns auf die Suche nach den „Northern Gardens“ – gemeint sind die Bereiche mit den Blumenbeeten. Es dauert ein bisschen, bis wir sie gefunden haben, und hier macht sich nun ein wenig Enttäuschung breit. Es entsteht der Eindruck des „gut gemeint“. Die Beete sind trocken, die Pflanzen häufig dünn gesät und teils schlecht ernährt, es wirkt wie auf gut Glück zusammengewürfelt. Schwer zu sagen, ob hier die Liebe fehlt, die Inspiration oder schlicht die Mittel. Fast könnte man meinen, die Gärtner hätten nach der Erschaffung des Dschungels gedacht: Nee, das reicht noch nicht als Anziehungspunkt, da müssen noch irgendwelche Blumen irgendwo hin.

Eine wirklich geniale Idee sind aber die Woodland Sculptures, Kunstwerke aus Drahtgerüst, Erde und Pflanzen im oberen Teil des Gartens.

Aus lauter Angst, nicht früh genug den Ausgang zu finden, treffen sich alle Reiseteilnehmer ohne Verabredung etwa eine halbe Stunde vor der offiziellen Abfahrt des Busses im Shopbereich am Ausgang, wo man noch kurz im lichten Schatten sitzen und die letzten Kekse aus dem vorletzten Hotel essen kann.

Eine kurze Fahrt bringt uns zu unserem Hotel im größten Seeband Cornwalls, in Newquay. Das Hotel Pentire liegt nahe am Meer, aber wie sich herausstellt ist das auch das einzige Pfund, mit dem das Hotel zu wuchern vermag. Das Haus sieht aus als hätte es seit den späten 50er Jahren keinen Außenanstrich mehr bekommen, gleiches gilt für die verrosteten Abflussrohre, und mein Zimmer ist schätzungsweise noch original aus den frühen 60ern – mal abgesehen vom Flachbildschirm und der immerhin relativ neuen Dusche. Der Teppich ist schon von Natur aus braun und aus Altergründen abgeschabt und fleckig, die Tapete blättert, der Gesamteindruck ist, wie der Rheinländer so schön sagt, römelig. Gut dass das Wetter so schön ist, wir werden möglichst viel Zeit draußen und möglichst wenig Zeit auf den Zimmern verbringen.
Das Essen ist, immerhin, besser als gestern, und der Service ist wirklich fix. Und die Aussicht aus dem Fenster entschädigt für einiges.

Door und Moor

Die Betten sind nicht besonders toll hier, und das Frühstück ist nicht besonders erwähnenswert. Wir verstauen uns im Bus und fahren an die Küste bis Lulworth, Teil der sogenannten Jurassic Coast (Felsformationen aus der Kreidezeit). Diesmal hat uns die Wettervorhersage allerdings nicht die ganze Wahrheit gesagt. Sonnig soll es sein, und das ist es zwar auch wirklich – aber erstnmal nur bei der Abfahrt in Bournemouth. Als wir am Parkplatz aussteigen ist es grau, windig und kühl. Einige von uns fangen an zu frieren, aber man kann sich bei Wanderschwestern winddichte Regenjacken leihen, und so geht es den Kiesweg hinab zur Durdle Door.

Bei mir werden Erinnerungen an Cathedral Cove auf der Coromandel wach. Wie dort, so hat auch hier die See ein Loch in den Felsen gefressen oder „gebohrt“ (der Name Durdle Door kommt von „thirl“, Bohrloch). Nach ein paar Fotos müssen wir den Hang wieder hoch schnaufen und gehen dann ein kurzes Stückchen an der Küste entlang bis zu Lulworth Cove. Ein steiler, mit glatten Steinen gepflasterter und mit Kies übersäter Weg führt hinab zur Bucht. Wir gehen noch ein weiteres Stück Küste entlang zu einem Ausguck

und essen hinterher eine Kleinigkeit im Café. Bei schönem Wetter kann man hier sicherlich nett ein Stündchen entspannen, aber bei bedecktem Himmel und Wind sitzt man besser drin und wartet auf schöneres Wetter.

Das schöne Wetter trudelt ein als wir abfahren. Nach einer Stunde Fahrt befinden wir uns mitten im Nationalpark Dartmoor. Hier ist es zwar auch ziemlich windig, aber die Sonne kommt raus. Wir steigen einen ziemlich steilen Hang empor zu den Haytor Rocks

und treffen unterwegs auf die wild lebenden Dartmoor Ponys.

Wir genießen die weite Aussicht übers Land und wandern dann eine Runde übers Moor. Es wird eine geradezu idyllische Wanderung. Der Wind scheucht die Wolken vor sich her, und wir spazieren unter den jagenden Schatten über weichen, federnden Boden durch die Heidelandschaft. Ringsum stehen große Felder von niedrigen, ganz aufrecht wachsenden Farnen, verstreut in den Feldern niedrige kugelige Stechginster, vereinzelte Fingerhüte tauchen auf, und zwischen Heidebüschen arbeiten sich Blaubeertriebe empor.

Später stoßen wir auf seltsam gradlinige Steinrillen im Boden, es handelt sich um Granitschienen, auf denen zu Anfang des 19.Jahrhunderts der hier abgebaute Granit zu einem Kanal in Devon transportiert wurde.

Nach dieser Genusswanderung geht es zum nächsten Hotel. Wir steigen im Golfhotel Elfordleigh in der Nähe von Portsmouth ab und beziehen riesige Zimmer mit überraschend kleinen Möbeln, man schläft sozusagen im Tanzsaal. Das Essen ist, Golfhotel hin oder her, nur mäßig bis mittelmäßig.

Schaun wir mal, was da morgen so auf uns zukommt.

Garden Glory

Frühstück gibt es heute schon um 7. Um halb neun rollen wir unsere Koffer zum Bus und werfen einen letzten Blick auf das Hotel Hydro – da hat Wikinger Reisen wirklich eine gute Unterkunft gebucht.

Wir schlängeln uns zunächst durch Eastbourne und stellen fest, dass auch der Rest der Stadt ziemlich gut aussieht, kein Wunder dass die Stadt ein beliebter Ort für die Sommerfrische ist. Der Weg zu unserem nächsten Gartenziel führt durch einige kleine, beschauliche englische Örtchen, die so bilderbuchhaft hübsch sind dass man am liebsten aussteigen möchte um ein bisschen Zeit dort zu verbringen. Überall niedliche kleine verhutzelte englische Häuschen mit rosenumrankten Fassaden und schnuckelig bepflanzte Vorgärten, und darüber strahlt auch heute wieder die Sonne vom nahezu wolkenlosen Himmel.

Pünktlich um kurz vor 10 Uhr erreichen wir Wakehurst Place. Das Landhaus stammt aus der Zeit von Elizabeth I, dazu gehören 60 Hektar allerschönster englischer Landschaftsgarten. Wir haben zwei Stunden Zeit, und die kann man hier auch locker verbringen, das Gelände ist riesig und hat viel zu bieten.

Wir essen im Café eine Kleinigkeit, deshalb reicht die Zeit leider nicht mehr für eine Besichtigung des Herrenhauses. Macht nichts, wir haben den Garten richtig genossen.

Als nächstes steuern wir Arundel an, ein kleines Örtchen nahe der Küste. Der Bus hält in der Nähe des Flüsschens Arun, und wir gehen die letzten anderthalb Meilen am Fluss entlang durch rauschendes Gras, und mit einer spektakulären Sicht auf das atemberaubende Arundel Castle, das zusammen mit der Kathedrale den kleinen Ort riesenhaft überragt.

Arundel Castle war ursprünglich eine normannische Festung aus dem 11. Jahrhundert, die leider im 17. Jahrhundert während des Bürgerkrieges fast dem Erdboden gleichgemacht wurde und erst im 19. Jahrhundert neu errichtet worden ist. Hier ist der Sitz der Herzöge von Norfolk, bis heute.

Auch hier haben wir wieder gut zwei Stunden Zeit, aber um das ganze Schloss und die Gärten anzuschauen reicht das noch nicht mal ansatzweise. Mutter und ich entscheiden uns für die Besichtigung der Fitzalan Chapel und der anschließenden Gärten.

Die Kapelle, in der die Herzöge beigesetzt sind, ist klein aber imposant.

Und die Gärten sind einfach wunderschön. Die Anlage ist durchaus formal geplant, hat aber nichts von Reißbrettstrukturen. Ein von Hecken umfasster Teil geht in den nächsten über, und es sind durchaus nicht nur die üblichen Gartenteile wie White Garden oder Classic Herbaceous Borders, sondern es gibt zum Beispiel den Wild Flower Garden oder (ganz besonders interessante Idee) „The Stumpery“, hier wachsen Wald- und Schattenpflanzen zwischen pittoresk drapierten Baumstümpfen und verwachsenen Wurzelballen.

Die Beete sind dicht bepflanzt, scheinbar bunt durchmischt, und fast alles in voller Blüte. In zentralen Positionen stehen ein paar Wasserspiele, darunter als Kuriosität eine von einem Wasserstrahl emporgehaltenen Krone, „The floating crown“.

Und trotz aller Pracht ist das ein Garten der zum Picknicken einläd oder zu einer schnellen Mittagspause. Überall stehen Bänke, und die senior citizens, die Schloss und Garten in großer Zahl besuchen, werden mit dezent surrenden Buggys den Hügel hinauf und bei Bedarf auch wieder hinab kutschiert.

Wir nehmen im Schlosscafé Kaffee bzw. Tee und Scones (nicht schlecht, aber der Geschmack ist genau so dezent wie das Surren der Buggys), bevor wir uns um 16 Uhr leider wieder von Arundel trennen müssen. Fahrer Marc hat in der Zwischenzeit den Bus gewechselt, weil der komfortable Monsterbus leider zu groß ist für die engen Sträßchen in Cornwall. Der neue Bus ist nur zwei Meter kürzer (hoffentlich reicht das um in Cornwall um die Kurven zu kommen!) und bietet mehr Beinfreiheit weil die Sitze weiter auseinander stehen. Leider heißt das für Leute mit kurzen Beinen, dass die Fußstützen am Vordersitz nur zu erreichen sind wenn man sich quasi waagerecht hinlegt, das ist für mich nicht wirklich bequem.

Trotz Stau auf der Autobahn erreichen wir Bournemouth fast mit Glockenschlag um 18 Uhr. Das Norfolk ist wieder eines dieser altehrwürdigen Schätzchen, von außen hübsch anzusehen, und von innen schon ein wenig antiquiert aber noch in Ordnung. Der Lift allerdings hat, wie eine alte Dame mir anvertraut, „a will of its own“. Er ist seeeehr laaangsaaaam, die Türen öffen und schließen im Schneckentempo, und genau in diesem Tempo geht es auch zu den drei Stockwerken. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis alle 17 von uns mit ihren Rollkoffern auf die Etagen verteilt werden können. Ach ja, und außerdem wird gerade renoviert, und der Speisesaal ist nicht direkt zugänglich. Also Sie müssen erst durch die Bar, dann raus, dann um die Ecke und hinten wieder rein, ganz einfach.

Wir haben es schließlich gefunden und treffen uns zum uns zugewiesenen Timeslot (20 – 21 Uhr) im Speiseraum. Die Organisation in der Küche klappt leider nicht richtig, wir müssen vor allen Gängen sehr lange warten und sind erst um 22 Uhr fertig. Zu diesem Zeitpunkt nicken viele schon schlaftrunken vor sich hin. Ein paar Unermüdliche werden noch mit Claudia zum Grab von Mary Wollstonecraft Shelley gehen, aber wir anderen fallen dankbar und müde in die Betten.

 

Mööh

Die Engländer sind doch brave Menschen. Pünktlich um 22 Uhr ist am Vorabend die Musik verstummt, und wer sich getraut hat, nachts bei offenem Fenster zu schlafen (in jedem Zimmer liegt ein Zettel, auf dem das Hotel ausdrücklich davor warnt, Fenster aufstehen zu lassen, weil sonst die Tauben ins Haus kommen), der konnte auch wirklich durchschlafen.
Nach dem Frühstück werden wir nach Winchelsea gefahren, die kleinste Stadt Englands mit knapp 600 Einwohnern. Wir werfen kurz einen Blick in die Kirche aus dem Mittelalter

und wandern dann bei allerschönstem Sommerwetter los. Bei der Wanderung gestern sind wir meistens über Weiden oder an Weidenrändern entlang gelaufen, und hierzuland heißt das, dass man öfter mal Zäune übersteigen muss (dafür stehen an den Zäunen hölzerne Tritthilfen) oder sich mit gefühlten zwei Dutzend Mechanismen der Öffnung von Weidetoren bekannt machen darf (ziehen, heben, drücken, wenn man Glück hat einfach nur schwenken). Auch heute geht es erstmal über eine Weide, nicht wie gestern eine Weide mit gelangweilten Kühen sondern eine Schafweide.

„Möööh!“ nörgeln die Schafe, die sich von den dynamischen Fremdkörpern gestört fühlen die da ihre Weiden durchqueren (nachmittags müssen dann die Profile der Wanderschuhe mühevoll gesäubert werden).

Wir gehen zunächst auf einer zum Glück kaum befahrenen Straße entlang. „Auto!“ ruft Claudia von vorne, wenn doch mal eins kommt. Einmal kommt sogar eine ganze Kolonne von Oldtimer-Cabrios, deren durch die Bank silberhaarige Fahrer uns jovial zuwinken. Später folgen wir dem 1066 Trail (hat mit der Schlacht von Hastings zu tun, obwohl die Briten wohl nicht wirklich gerne darauf angesprochen werden, dumm gelaufen damals) quer durch die Wiesen bis nach Rye.

Rye ist ein wirklich niedliches kleines Örtchen, einer der „Cinque Ports“ die damals so etwas wie eine englische Hanse bildeten. Wir erklimmen die Mermaid Street mit ihren Cobble stones (im Regen muss die Todesrate in Rye exorbitant steigen) hoch zur Kirche. Mutter und ich sind zu hungrig um reinzugehen (eine andere Teilnehmerin war drin und sagt „Die war langweilig“, also nichts verpasst), wir gehen in den Mermaid Inn und essen erstmal was. Hinterher hole ich mir im Kino neben der Kirche ein Eis, bevor wir kurz vor 14 Uhr wieder in den Bus steigen.

Wir fahren weiter nach Great Dixter. Davon hatte ich vor ein paar Jahren in einer Gartensendung erfahren und war ganz erfreut, es auf dem Programm dieser Reise wiederzufinden. Great Dixter ist ein „Manor house“ aus dem Mittelalter, das dem in Gartenkreisen wohl sehr bekannten englischen Gärtner und Autor Christopher Lloyd gehört hat. Sein Vater hat das alte Haus durch den englischen Stararchitekten Edward Lutyens erweitern lassen, und Christopher hat aus den eher unspannenden Gärten rundherum seinen eigenen Gartentraum erstehen lassen.

Farben sind zwar wichtig, sagt er in einem Interview, aber ihm persönlich sind sie längst nicht so wichtig wie Blätter. Blätter leben länger als Blüten, und bieten viel mehr was Leben und Struktur betrifft. Auf die Frage was denn sein Programm gewesen wäre bei der Gestaltung des Gartens sagt er: „I love plants. I wanted the garden to look as if the plants were enjoying themselves“. Er erreicht das durch üppigste Bepflanzung. Great Dixter ist kein formaler, streng strukturierter Garten, in dem jede Pflanze einzeln wahrgenommen werden kann. Great Dixter ist der Ort, wo man bei den Beeten keinen Boden sieht weil alles voll ist mit Pflanzen. Natürlich wird gepflegt, aber es wirkt schon so als würde hier alles was nur irgend in die Beete passt anfeuernd zum Wachstum ermuntert. Üppiger, überquellender Bewuchs kennzeichnet die Gartenteile: Den sunken Garden, den/die/das Topiary mit den Formschnittgehölzen, den Cat Garden (erstaulich, denn Lloyd war Hundefreund und ganz vernarrt in seine Dackel), den sogenannten High Garden und den Orchard Garden.

Hier gehen die Gartengeschmäcker wieder auseinander. Meine Mutter findet Great Dixter bisher am interessantesten, mir hat Sissinghurst bisher am besten gefallen. Einig sind wir uns aber darin, dass zwei Stunden Zeit für Great Dixter zu hoch gegriffen sind,  mit ein bis anderthalb Stunden kommt man gut hin, denn das Gelände ist überschaubar.

Auf der Rückfahrt im Bus fallen mir diesmal wirklich die Augen zu. Wir machen kurz vor dem Hotel noch einen Stopp, weil der größte Teil der Gruppe sich gerne noch den hölzernen Pier anschauen

und von dort nochmal eine halbe Stunde zum Hotel gehen wird, aber Mutter und ich und noch ein paar andere sind schon zu müde dazu. Wir werden bis zum Abendessen die Beine hochlegen oder zum Beispiel schonmal Fotos überspielen und den Blog anfangen.

Das Abendessen ist heute nicht ganz so gut wie an den beiden letzten Tagen, unser Fahrer Marc ist mit uns einer Meinung, dass die Lammkoteletts eher als Schuhsohlen denn als Nahrungsmittel durchgehen. Inzwischen schon wirklich sehr, SEHR müde kann ich grade noch verarbeiten, dass wir morgen schon um halb neun los müssen weil wir bis Bournemouth fahren. Nicht ohne zwischendurch noch einen Garten zu besichtigen!

Visiting Vita

Die Betten hier sind sogar ganz in Ordnung, und die Wände ausnahmsweise mal nicht aus Papier, so dass die meisten hier recht gut geschlafen haben. Das Frühstück bietet außer Tee und Toast eine Menge Müslis, sogar Schinken und Käse, und auf Zuruf kann man auch frisch zubereitetes englisches Frühstück haben.

Um 9 Uhr klettern wir in den riesigen Bus, und kaum sind alle drin – fängt es an zu regnen. Davon war in der Wettervorhersage eigentlich keine Rede, also glauben wir das einfach mal nicht. Und das nützt sogar was, denn das Wetter, durch unsere Regenagnostik zunehmend verunsichert, packt den Regen weg und versucht es mit wechselnder Bewölkung. Das ist für die Wanderung völlig okay.

Wir fahren mit dem Bus bis Goudhurst, versorgen uns müsliriegeltechnisch und wandern hinter Claudia her durch Feld und Wald in zwei Stunden zum Scotney Castle, das wir pünktlich zur Mittagszeit erreichen.

Scotney Castle bestand ursprünglich aus einem mittelalterlichen Herrenhaus, aber die ansässige Familie fand Mitte des 19. Jahrhunderts, dass etwas Moderneres her müsse, also bauten sie ein paar hundert Meter höher ein neues Herrenhaus und ließen das alte einfach verfallen. Ist doch auch schön, so eine Ruine im Garten zu haben, das war damals grade modern. Und so kann man in Scotney nun sowohl das neue Herrenhaus

(die Leute hier waren übrigens Katzenfreunde)

als auch die Ruine ansehen. Drumherum gibt’s einen netten Landschaftsgarten, der auf den ersten Blick aber zu einem großen Teil aus kürzlich abgeblühten Rhododendren besteht.

Es geht leider relativ viel Zeit beim Warten in der Caféteria drauf, so dass wir Häuser und Park etwas zügiger durchqueren als wir es vielleicht sonst täten. Um drei Uhr ist Abfahrt nach Sissinghurst.

Das Wetter legt noch einen drauf und holt die Sonne raus. Und so kommen wir in den Genuss von Sissinghurst im Sonnenschein. Der Turm ist schon von weitem sichtbar, und wir klettern auch als erstes dort hinauf und können uns so schonmal einen Überblick verschaffen.

Als nächstes schauen wir uns den vielgerühmten weißen Garten an, der wirklich zauberhaft schön ist. (Das finden auch die zahlreichen anderen Besucher verschiedenster Nationalitäten, die mit uns zugleich dort sind: Deutsche, Franzosen, Holländer …)

Danach schlendern wir durch die anderen farbigen Gärten, und die Fotoapparate beginnen zu glühen.


Zwischendurch werfen wir auch einen kurzen Blick in den Wohnraum von Vita Sackville-West und Harold Nicholson.

Aber die meiste Zeit verbringen wir doch draußen, und nachdem wir zahllose Fotos geschossen haben setzen wir uns ermattet in eine Ecke des gelben Gartens,

wo eine lauschig überschattete Bank den müden Füßen etwas Erholung bietet.

Sissinghurst war ein echtes Highlight. Hinterher im Bus bin ich allerdings so müde dass ich fast einschlafe.

Es gibt im Hotel ein erneut wirklich gutes Abendessen in drei Gängen. Für Unterhaltung sorgt eine große Möwe, die plötzlich vor den Fenstern des Speisesaals auftaucht und herrisch mit dem Schnabel an die Scheiben pocht, und sie wirkt sehr indigniert als ihr einfach niemand aufmacht.

Nach einer kurzen Vorschau auf morgen geht es heute mal etwas früher ins Bett. Allerdings findet heute Abend unten in der Bar offenbar eine private Feier statt, es laufen aufgebrezelte Menschen herum und die Bässe wummern. Ob diese Nacht auch wieder so ruhig wird wie die vergangene …?

Geht doch

Wir sind schon am Samstag Nachmittag nach Düsseldorf gefahren, damit es am Sonntag Morgen zeitlich nicht so eng wird, und bei der Deutschen Bahn weiß man ja nie … Und weil die Deutsche Bahn uns beweisen will wie Recht wir damit hatten, hat der Zug auf der Hinfahrt eine halbe Stunde Verspätung.

Wir übernachten im Hotel „Windsor“, das passenderweise eingerichtet ist wie ein altes englisches Landhaus. Very nice.

  

Am nächsten Morgen geht’s mit der S-Bahn zum Flughafen Düsseldorf und von dort mit dem Flieger nach Heathrow. Das Wetter ist schön, aber beim Landeanflug gibt’s ordentlich Wind, was das Flugzeug recht ordentlich schaukeln lässt – was meine Mutter, wie sie vorwurfsvoll einwirft, eigentlich überflüssig findet.

Schon am Gepäckband stoßen wir auf die ersten Mitreisenden, und zu viert finden wir schließlich den Treffpunkt im Terminal 2, wo uns eine aufgeweckte, nette junge Reiseleiterin in Empfang nimmt. Nach und nach trudeln alle Mitreisenden ein, und schließlich sind es 17 Gartenfreunde aus dem ganzen Bundesgebiet, die sich in Wanderschuhen und mit Rollkoffern auf den Weg zur Bushaltestelle für die Coachtours machen. Wir verlieren zwar auf dem Weg dorthin plötzlich die halbe Belegschaft, aber Reiseleiterin Claudia kann sie nach einiger Zeit wieder aufgabeln. Ab in den großen Bus, der von Mark routiniert durch den Heathrow-Stau gelenkt wird, und auf geht’s in den ersten Garten.

Wir fahren zu den Wisley Gardens, dem ältesten Schaugarten der Royal Horticultural Society. Vor ein paar Jahren bin ich mit Uschi schonmal dort gewesen, aber da war das Wetter eher durchwachsen, ich erinnere mich dass es anfing zu regnen und wir uns ins Glasshouse-Café geflüchtet haben, während draußen der Regen von den Rhododendren tropfte. Aber siehe da, heute bekomme ich Wisley bei schönstem Sonnenschein zu sehen. Geht doch!

Wir verbringen zwei Stunden mit Schlendern, Staunen, Gucken und Genießen (zwischendrin ist Sonnencreme fällig). Gegen 17 Uhr machen wir uns auf den Weg nach Eastbourne, wo wir 3 Nächte bleiben werden. Wir fahren circa anderthalb Stunden durch erstaunlich beschauliche englische Landschaft (wenn man sonst immer nur in London Urlaub macht merkt man eigentlich gar nicht, dass England auch schöne Landschaften zu bieten hat) und sind gegen 18.30 Uhr im altehrwürdigen Seebad Eastbourne. Das Hotel sieht von außen eigentlich nicht nach viel aus, ist innen aber wirklich ganz ansehlich und hat noch viel vom alten Seebad-Charme vergangener Jahrzehnte.

Zum Abendessen gibt es im Speisesaal unter Kronleuchter und Stuckdecke ein 3-Gänge-Menü das genügend Alternativen bietet um jeden zufrieden zu stellen – wenn man mal davon absieht, dass „Pulled Pork“ bei den Engländern überraschenderweise nicht knuspriges gezupftes Fleisch meint sondern labbrige kalte Pastete. Hinterher gibt es Kaffee, Tee und Free WiFi für die Blogger unter uns.

Der erste Tag war schon sehr erfreulich. Das Wetter ist gut, der Bus ist bequem und die Gruppe ist nett zusammengesetzt. Wir werden also jetzt mal die Matratzen abhorchen und morgen geht’s auf zur ersten Wanderung, und danach – Sissinghurst!